Der Lufthygiene-Check

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  • 06 Okt., 2021

Sichere Räume in einer Pandemie

Eingestellt am: 01.10.2021

In der Präventionspolitik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie haben wir als Gesellschaft viel erreicht. Das betrifft unsere Kenntnisse über das Virus, vor allem aber natürlich die Möglichkeit zur Impfung. Trotzdem ist die Pandemie noch nicht vorbei: Im kommenden Herbst und Winter ist wieder mit einem zunehmenden Anstieg von Infektionen zu rechnen. Das betrifft dann auch andere Viren, die sich über die Luft ausbreiten wie Influenza. Das wird auch geimpfte Personen betreffen, nicht zuletzt weil sich das Virus ständig verändert. Derzeit ist jedoch noch unklar inwieweit SARS-CoV2 Geimpfte und dennoch Infizierte das Virus weitergeben können. Eine Impfung schützt daher in erster Linie vor einem schweren Verlauf und die Infektionen verlaufen deutlich milder.


Vor diesem Hintergrund benötigen wir einen der Lage angemessenen Infektionsschutz. Als Grundsatz ist dabei folgendes festzuhalten: Erneute Lockdown-Maßnahmen müssen in Zukunft in jedem Fall vermieden werden. Sie haben einen geringen Nutzen, erzeugen aber hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Kollateralschäden. Wir schlagen stattdessen einen Präventionscheck für Innenräume vor, der das Infektionsrisiko nach dem Stand der aktuellen Forschung minimiert. Damit bekommen nicht zuletzt die Unternehmen ein Werkzeug zur Verfügung gestellt, um sich auf die kommenden Monate vorzubereiten. Ob der Einzelhandel oder die Gastronomie, das Fitnesszentrum oder die Veranstaltungsbranche: Sie alle suchen ein solches Instrumentarium im Interesse ihrer Mitarbeiter und Kunden.


Der Lufthygienecheck soll weder die Basishygieneregeln noch die G- Regeln ersetzen, sondern Innenräume für den Herbst und Winter sicherer gestalten. Die hier vorgeschlagenen Maßnahmen haben dabei einen bisher weithin verkannten zusätzlichen Nutzen: Sie reduzieren aerogen übertragene Infektionen auch jenseits der aktuellen Corona-Pandemie.


Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist eine wissenschaftlich unumstrittene Erkenntnis: Innenräume sind der zentrale Infektionsort. An der Außenluft gibt es keine relevante Ansteckungsgefahr (<0,01% im Vergleich zu Innenräumen). Die Ursache ist in dem vom Menschen erzeugten Vertikalflow durch die warme Ausatemluft und die Körperwärme zu finden (bis zu 100m³/h), der die abgeatmeten Aerosole stark verdünnt. Windströmung draußen verdünnt die Konzentration zusätzlich.


Der Lufthygienecheck setzt sich aus den folgenden Parametern zusammen:

  1. Anzahl der Personen, die sich in einem unbelüfteten Raum aktuell aufhalten oder sich bis vor kurzem aufgehalten haben können. Mit der Anzahl der Personen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Infizierter im Raum befindet und je mehr Menschen im Raum sind umso mehr können sich potentiell infizieren.
  2. Aufenthaltszeit. Durch eine infektiöse Person im Raum steigt die Konzentration der Viren in der Zimmerluft mit der Zeit und je länger sich nicht infizierten Personen in dem Raum aufhalten, desto mehr Viren inhalieren sie.
  3. Volumen des Raumes. Je größer der Raum, umso geringer ist die Konzentration der Viren im Raum.
  4. Raumhöhe. Durch den vom Menschen erzeugten Vertikal-Flow sind hohe Räume besonders sicher, denn die abgeatmeten virushaltigen Aerosole bewegen sich nach oben.
  5. Effektivität der Lüftung. Frischluftmenge, die dem Raum zugeführt wird, verdünnt die Aerosole. Bei Fensterlüftung hängt das insbesondere von der Temperaturdifferenz drinnen/draußen und der Windbewegung ab. Je größer die Temperaturdifferenz, desto größer der Effekt. Allerdings steigt dann auch der Energieverbrauch durch die Abkühlung.
  6. Effektivität von Raumluftreinigungsgeräten: Die praktisch aerosolfreie Luft, die von einem Luftreiniger in den Raum abgegeben wird, bestimmt die CADR = Clean Air Delivery Rate oder abgeblasene gereinigte Luft (m³/h).
  7. Dauerhaftigkeit und Effektivität von Masken, die von den Personen im Raum getragen werden. Schutzschilde sind wirkungslos, da die infektiösen Aerosole dadurch nicht an der Ausbreitung im Raum gehindert werden.
  8. Atemfrequenz und Atemtiefe der infizierten und nicht infizierten Personen im Raum. Vermehrte Ventilation entsteht z. B. bei körperlicher Arbeit, Sport und Singen.


Besonders ungünstig sind kleine Räume ohne oder mit wenig Lüftung (kleine Büros und Aufenthaltsräume, Fahrstühle, Toiletten, Kraftfahrzeuge, öffentliche Verkehrsmittel usw.) Hier kann eine konzentrierte infektiöse Aerosolwolke längere Zeit in der Luft stehen bleiben (ähnlich Zigarettenrauch) und dann Personen anstecken, die den Raum betreten (z. B. Reinigungspersonal). Mitunter sind sich Virusspreader und Infizierter nie begegnet.


Es gibt also eine Reihe von Maßnahmen, die man ergreifen kann, um eine Infektion in Innenräumen durch die Aerosolübertragung zu reduzieren:

  • Begrenzung der Anzahl der Personen in einem Raum.
  • Begrenzung der Aufenthaltszeit der Personen in einem Raum.
  • Prioritäre Nutzung großer und hoher Räume (z. B. viele Turnhallen, Aulen brauchen deswegen meist keine zusätzlichen besonderen Schutzmaßnahmen).
  • Erhöhung der Frischluftzufuhr. Hier ist eine Kontrolle über CO2 Messgeräte eine Option.
  • Einsatz effektiver Raumluftreinigungsgeräten ein. Hier ist eine Kontrolle über Aerosolmessgeräte möglich.


Im Wesentlichen gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten einen Raum von virenhaltigen Aerosolen zu befreien. Beide sind lüftungstechnische Maßnahmen:

  1. Zuführung von Frischluft (Außenluft) durch geeignete Lüftungstechnik.
  2. Raumluftreinigung mit geeigneten Luftfiltergeräten.


Wir schlagen zur Überprüfung der Effektivität der jeweiligen Maßnahme eine Kontrolle durch eine Kombination von zwei Messgeräten vor. Zum einen wird eine ausreichende Frischluftzufuhr mittels CO2 Monitor gemessen, zum anderen werden die Luftreinigungsmaßnahmen mittels Aerosol-Messgerät überprüft. Beide sollten zentral im Raum aufgestellt sein, ohne direkte Nähe zu Personen, denn die Ausatemluft kann die CO2-Konzentration lokal stark erhöhen. Sowohl Gastgeber als auch Besucher eines Raumes können sich überzeugen, wie gut die Raumluft in einer Einrichtung ist.


Für das CO2 Messgerät sind Werte anzustreben, die nahe dem Wert der Luft im Außenbereich liegen, also unter 650 ppm. Liegt ein nur fraglich belasteter Raum vor, sind Luftreiniger ausreichend und energiesparender als erhöhte Fensterlüftung. Bei Aerosol-Messgeräten sollte die Erhöhung der Partikelkonzentration im Raum bis max. 2.5 μm betrachtet werden. Inzwischen gibt es einfache, ausreichend genaue und preiswerte Messgeräte für die Konzentration von PM 2,5 Aerosol- und CO2- auf dem Markt. Viele Luftreiniger haben inzwischen auch die PM 2,5 Messung integriert. Hier ist noch ein Hinweis zu geben: Bei der Kombination von Frischluftzufuhr und Raumluftreinigungssystemen ist der CO2-Wert die entscheidende Messgröße. Die Frischluft hat häufig höhere Feinstaubwerte als die gefilterte Luft im Raum durch Luftreiniger.


Die beiden Größen für CO2- und Aerosolkonzentration sind Schätzgrößen, die bei der Beurteilung des Risikos helfen sollen.


Auf dieser Grundlage schlagen wir ein Punktesystem zur Risikoeinschätzung vor. Es gibt Privatpersonen und Unternehmen die Möglichkeit, entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen.


Autoren:

Dr. ing. Achim Keune VDI, DGUV Test geprüfter RLQ Manager, Hamburg

Prof. Dr. med. Dieter Köhler (Dipl. Ing. FH) , Schmallenberg

Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Külpmann, Hochschule Luzern, Technik & Architektur, Institut für Gebäudetechnik und Energie

Dr. rer. nat. Gerhard Scheuch, PhD , Gemünden

Prof. Dr. med. Hendrik Streeck Direktor des Institutes für Virologie am Universitätsklinikum Bonn

Dr. med. Thomas Voshaar Chefarzt Lungenzentrum Krankenhaus Bethanien, Moers